Mr. Vertigo, Paul Auster
Bald darauf wurde ich still, fast heiter; ich fühlte, wie sich eine Gelassenheit in mir ausbreitete, die mir nach und nach durch die Muskeln bis in Fingerspitzen und Zehen strömte. In meinem Kopf waren keine Gedanken mehr, in meinem Herzen keine Gefühle. Ich war schwerelos in meinem Körper, trieb auf einem friedlichen See des Nichtseins, vollkommen losgelöst, vollkommen gleichgültig gegen die Welt um mich her. Und da habe ich es zum erstenmal getan-ohne Vorwarnung, ohne die leiseste Ahnung, daß es nun passieren würde. Ganz langsam hob sich mein Körper vom Boden. Die Bewegung war sehr natürlich sehr zart in ihrer Sachtheit und so merkte ich erst, als ich die Augen aufmachte, daß meine Gliedmaßen nur noch von Luft umgeben waren. Ich war nicht weit vom Boden- höchsten ungefähr eine Handbreit-, aber dort hielt ich mich ohne Mühre; ich hing, reglos treibend, wie der Mond am nächtlichen Himmel und spürte nichts anderes als den Atem meiner Lungen.
Als mein Bruder letztens mit den Worten: "Die hab ich gelesen gehören aber nicht mir" einen Stapel Bücher auf den Tisch knallte, holte ich mir gleich ein paar raus, auch wenn sie schon gar nicht mir gehörten. U.a. Herr Lehmann, Der große Gatsby (wirklich großartiges Buch) und eben ein Buch von Paul Auster, den ich nur von meinen "Prof. Schatz" geplagten Mitschülern kannte. Aber da sein bekanntestes Werk: "New York Triology".
Viel vom Plot mag ich gar nicht verraten, weil Mr. Vertigo mit vielen Überraschungsmomenten und 180° Drehungen glänzt. Es sei nur gesagt, dass es ums Fliegen geht. Ein gewisser Meister Yehudi, schnappt den kleinen Walt und reißt ihn aus seinem trostlosen Slumdasein in St. Louis und geht mit ihm in die noch trostlosere Wüste um ihm Fliegen beizubringen. Er schaffts tatsächlich und der Auster Pauli erzählts als wenn ers wirklich ernst meinen würd. Mit dem Fliegen können.
Wie ich finde eine fantastische Geschichte, die aber erzählt wird, als wäre es alles wahr. An die Grenzen geht Auster nicht nur mit der Glaubwürdigkeit, sondern auch mit den Drehungen der Geschichte. Oft würde man sich als Leser wünschen, dass der nette Walt endlich so weiterlebt und ein Hollywoodreifes Ende mit Geld, Frauen und Glück auf uns wartet. Nup, is nicht. Übertrieben ist die letzte Wendung, aber dennoch lesenswert. Würde ich ja sonst nicht posten wenns kompletter Dreck wär. Eine Menge Kritik an der Sensationslust, Kriminalität und dem Geld scheffeln mit beidem ist auch enthalten.
pierluigi - 27. Nov, 11:15